Engstfeld Filmproduktion

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Die Dokumentaristen Axel Engstfeld und Herbert Habersack erzählen die außergewöhnliche Lebensgeschichte eines Mannes und seiner todbringenden Erfindung.

Michael T. Kalashnikov, geboren im Altai, mit seiner Familie nach Sibirien verbannt, Soldat gegen das Naziregime, entwickelte während des zweiten Weltkrieges als Autodidakt eine Waffe, die als AK-47 oder "Kalashnikov" in die Geschichte eingehen sollte.

Einfach zu handhaben, preiswert in der Herstellung und von legendärer Zuverlässigkeit geriet seine Erfindung außer Kontrolle. Konstruiert zum Schutz der Heimat, avancierte sie zum meist verbreiteten automatischen Sturmgewehr der Welt. Man findet sie in jedem Krisenherd der Welt.

Ihr mittlerweile 80 jähriger Konstrukteur lebt heute in Ishewsk am Ural, dem langjährigen geheimen Rüstungszentrum der Sowjetunion. Offen erzählt der patriotische aber auch von Rußland enttäuschte alte Mann von seiner Vergangenheit und gibt Einblick in seinen Alltag.

Während er mit 70 DM Rente im Monat bescheiden auskommen muß, sind gleichzeitig 70 Millionen Exemplare seiner Waffe über den Erdball verstreut. Ob im Pandschir-Valley in Afghanistan, wo Shad Massud mit seinen Anhängern jahrelang mit der AK-47 ironischerweise gegen die Russen ins Feld zog und jetzt gegen die Taliban kämpft, oder in den Straßen von Los Angeles, wo die AK-47 in den Händen von Straßengangs durch ihre enorme Durchschlagskraft ein ernsthaftes Problem für die dortige Polizei darstellt - die Kalashnikov ist fast in jeder Ecke der Welt präsent.

In vierjähriger Arbeit ist den beiden Dokumentaristen gelungen, ein spannendes und nachdenkliches Mosaik zusammenzustellen. Der Film zeichnet in anderthalb Stunden ein einfühlsames Portrait des alten Konstrukteurs und stellt seinem Alltag den alltäglichen Einsatz seiner Waffe gegenüber.

Es ist ein Film über einen tragischen Helden, dessen Namen für alle Zeiten mit Aufruhr, Kampf, Terrorismus und Schrecken verbunden sein wird und der lernen mußte, damit zu leben "wie mit einem Granatsplitter in seinem Körper".

Kamera: Wolfgang Thaler, Bernd Mosblech, Hans Jakobi
Schnitt: Jean-Marc Lesguillons
Ton: Csaba Kulcsar
Musik: Hans Günter Wagener
Produktionsleitung: Mark Popp
Co-Produzenten: Bruce Garrison (D-Network, Melbourne), Dominique Barneaud (Kalamazoo International, Paris), Peter Mayer (Adi Mayer Film, Wien)
In Zusammenarbeit mit WDR, ARTE, ORF
Unterstützt mit den Mitteln von Eurimages, Filmstiftung NRW, Filmbüro NW

Interview

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"Schaut her! Ein Mythos! Aber einer aus Fleisch und Blut!"
Gespräch mit Axel Engstfeld und Herbert Habersack


Ein kleiner Umweg zunächst: hat die sich jüngst ereignete russische U-Boot-Katastrophe, die Rußlands militärische Verfassung in verheerend schlechter Form zeigte, den Blick auf Ihren eigenen Film verändert, der ja eine, wenn nicht sogar die Errungenschaft der russischen Waffenherstellung in den Mittelpunkt stellt? Oder sehen Sie einen solchen Zusammenhang nicht?

Axel Engstfeld: Nicht so direkt, weil sich beides vor dem Hintergrund zweier sehr verschiedener Zeitalter vollzieht, die U-Boot-Katastrophe jetzt, während die Kalashnikov im Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde. Man kann allerdings sagen: Sowas wie die Kalashnikov, von einem Amateur aus eigener Initiative entwickelt, stand immer schon in Konkurrenz zu den offiziellen Konstruktionsbüros, die zum Beispiel sowas wie das gesunkene U-Boot entwerfen.

Gibt es irgendeine Parallele zu Ihrem gerade zum Olympia-Auftakt in der ARD gesendeten Film "Olympia - die Träume der Athleten"?

Engstfeld: Vielleicht insofern, daß man beide Male Einblick nimmt in die Seele von Menschen, die in ihrer Aufgabe ganz aufgehen.

Wie kamen Sie denn nun überhaupt auf die Idee zu diesem Film?

Engstfeld: Das war gar nicht ich, sondern mein Partner aus Österreich, Herbert Habersack, der mir als Produzenten ein entsprechendes Exposé vorlegte, das mich allerdings spontan faszinierte.

Herbert Habersack: Mich hat mein Lehrer Peter Mayer darauf gebracht, der mal einen Lehrauftrag an der Filmhochschule von Jekaterinenburg hatte. Das muß so 1991 gewesen sein. Ich spürte eigentlich gleich: Das Thema ist zu groß für eine kürzere Reportage. Das braucht einen ganzen Film.

Was kam denn so ganz spontan zu Ihnen herüber? Was hat Sie emotional fasziniert?

Habersack: Dieser Kalashnikov war für mich irgendwie ein Mann von einem anderen Stern. Und er stand für mich für die russische Kultur. Kurz: Das Thema hat mich gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen. Das sind eh immer meine Lieblingsthemen, die solche ambivalenten Gefühle auslösen. Und die Motivation des kleinen Jungen, der endlich mal mit Waffen spielen kann, was man ihm immer verboten hat, kam noch hinzu.

Engstfeld: Habersack war es dann auch, der dem 80jährigen Michael T. Kalashnikov gegenübersaß. Herbert hat auch die Aufnahmen in Afghanistan gemacht, während ich in Amerika drehte und die Praesenz der Waffe dort in der rechten Militia Szene, als auch auf der Strasse bei den Gangs untersuchte.

Habersack: Diese Waffe ist ein trauriger Welterfolg, und der Mann dahinter, ein bescheidener kleiner Autodidakt, das fand ich als Stoff faszinierend.

Wie groß war die Schwierigkeit, einen solch prekären Stoff an den Mann zu bringen? Gab es da sowas wie eine Angstschwelle?

Engstfeld: Auf jeden Fall. Als wir unseren Film angeboten haben, haben wir oft gespürt: Hier wollte niemand etwas mit Waffen zu tun haben. Die Skandinavier zum Beispiel nicht, obwohl die Finnen bis heute Kalashnikovs produzieren. Waffen existieren, das weiss man, aber sich in einem Medium wie dem Film, damit zu beschäftigen: bitte nicht. Entsprechend unterschiedlich war auch die Reaktion überall, wo wir den Film zeigten. Die einen waren sehr beeindruckt, andere wehrten heftig ab. Aber so ganz kalt ließen der Film und seine Thematik keinen.

Wie groß war Ihre eigene Schwellenangst?

Engstfeld: Nicht so groß wie die erwähnte spontane Faszination. Hier war eine Waffe geradezu das Symbol des sowjetischen Imperialismus. Der Name einer Waffe als Synonym für bewaffnete Konflikte überall in der dritten Welt. Ein Schlagwort. Aber dieses Schlagwort trug gleichzeitig ein Gesicht. Eben das sei-nes Erfinders.

Und bei Ihnen, Herbert Habersack?

Habersack: Die war schon sehr groß. Da war der Ekel vor dem Thema Krieg, war auch der Gedanke an den hypokratischen Eid, den ich mal als studierter Mediziner geleistet habe: Wir Ärzte sollen kranke Menschen retten, nicht tote Menschen fabrizieren. Aber da war andererseits auch die Neugier des Menschenforschers.
Am schwersten wog für mich die Frage: werde ich dem Thema gerecht? Denn natürlich ist es eine Gratwanderung zwischen einer indirekten Waffenverherrlichung und einem pauschalen Pazifismus, der alles Kriegerische und damit jede Waffe grundsätzlich ablehnt und verteufelt. Das eine wie das andere scheint mir nicht mehr angemessen.

Wußten Sie, Axel Engstfeld, schon vor Herbert Habersacks Angebot eines Kalashnikov-Films, daß es überhaupt einen Mann solchen Namens gab?

Engstfeld: Ich wußte es. Aber viele wissen es tatsächlich nicht. Und das war dann die Richtung dieses Films: den Alltag eines Rentners am Ural zu zeigen, der von siebzig Mark im Monat leben muß, und dessen Erfindung in der Welt 70 Millionen fach verbreitet ist. Eine Erfindung, die ihm allerdings völlig aus der Hand gerutscht ist.

Spielt darauf der Titel "Automat Kalashnikov" an? Daß hier ein Mensch zugleich ein Automat ist, der einmal in seinem Leben funktioniert hat?

Engstfeld: Titel findet man sofort oder nach sehr langer Suche. Diesen hier hatten wir sofort, denn er stammt schlichtweg aus der Typenbezeichnung der Waffe selbst: AK 47 d.h. Automat Kalashnikov und die Zahl bedeutet das Jahr der Einführung in die Armee. Also 1947. Aber eine Deutung wie die Ihre ist durchaus legitim. Ich finde sie sogar recht schön.

Was für ein Mensch ist denn nun dieser 80jährige?

Habersack: Ich will ihn mal bauernschlau nennen. Er versteht sich aus dem Schlamassel herauszureden, in das er da hineingeraten ist. Er sagt zwar, die Waffen seien die Killer, nicht die Menschen, die sie konstruiert haben. Aber so ganz geheuer ist er wohl sich selber nicht.
Wichtig scheint mir ein Satz aus seiner Autobiographie zu sein, den er leider im Interview nicht sagt: Ich bin den Weg des Waffenschmieds gegangen, und ich weiß, ich bin ihn zu weit gegangen. Aber es führte auch kein Weg zurück.

Engstfeld: Er ist zunächst einmal ein sturer Mechaniker. Kein Kommunist, dazu hat ihm und seiner Familie der Stalinismus zuviel angetan. Er wurde mit seiner Familie nach Sibirien verbannt, er hat es im Kommunismus nie wirklich gut gehabt, und sein Erfolg brachte ihm weder Anerkennung noch materiellen Wohlstand. Aber er ist ein Patriot, in einer Weise, die ich nachvollziehen kann. Dazu muß man nur die beiden Bücher lesen, die er über seine Kriegserinnerungen schrieb. Ein tragischer Held fast. So kann man ihn nennen.

Habersack: Ich stimme zu. Denn er kann sich winden, wie er will: Nach abend-ländischem Ethos bleibt seine Schuld, dem Menschenmord ein weiteres Werkzeug in die Hand gedrückt zu haben. Und er hat dafür keinen weltlichen Lohn empfangen, wurde dafür gehaßt, ist noch heute mehr berüchtigt als berühmt. Weil eben der Name "Kalashnikov" für Menschenvernichtung steht. Da führt nichts herum.

Ist er nicht auch ein grotesker Held fast im Sinn eines Dürrenmatt? Denn so könnte ihn doch ein Dramatiker entworfen haben: der einfache Mann, der eine mörderische Waffe entwirft, die es dann siebzig Millionen mal rund um die Welt gibt, und das nicht unbedingt zum Wohl der Menschen...

Habersack: Man kann ihn sich gut als Figur in Dürrenmatts "Physiker" vorstellen. Aber noch mehr drängt sich mir ein anderer literarischer Vergleich auf. Der mit Goethes Zauberlehrling, der die gerufenen Geister nicht mehr los wird.

Engstfeld: Ich könnte mir denken, daß sogar er selber das etwas spürt.

Habersack: Durchaus. Denn er hat sehr wohl Spürsinn für Nuancen und Humor. Darüber hinaus ist er sehr störrisch und war nicht leicht zu handhaben.

Hat er Geld für den Film verlangt?

Habersack: Hat es verlangt und hat es bekommen, ziemlich viel sogar für russische Verhältnisse, und ich glaube, das war für ihn sowas wie ein vorweggenommenes Schmerzensgeld. Er war vor allem wegen eines BBC-Films über sich noch immer verstört, einer in der Tat etwas billigen, dem sonstigen BBC-Niveau nicht würdige Sache, wo er bei der Jagd gezeigt wurde, beim Ausweiden der Beute, und die Assoziation stellte sich ein, als wäre er ein besonders blutrünstiger Geselle, was er bestimmt nicht ist.

Sein Herz gewann ich dann mit einem Hörgerät als Einstiegsgeschenk, denn er ist ja sehr schwerhörig. Dieses Gerät hat er gleich neugierig auseinandergenommen und dann in eine Truhe getan. Er hat es nie benutzt.

Wie war er denn beim Interview?

Habersack: Nicht so spontan und offen, wie ich es uns gewünscht hätte. Denn natürlich war bei den Gesprächen wie zufällig ein ehemaliger KGB-Mann dabei und man durfte sicher sein: Der Raum, wo das Interview stattfand, war gründlich verwanzt.

Engstfeld: Eindrucksvoller finde ich, wenn er aus seinen Büchern liest. Denn dieser Mann, so seltsam das klingt, ist auch ein Dichter, er hat als junger Mann Gedichte für ein Militablatt geschrieben, und er hat eine sehr schöne, bildreiche Sprache. Da klingen leise Töne an, die im Interview leider fehlen, weil er sich da "offiziell" gibt.

Habersack: Noch etwas haftet in mir als Eindruck: sein flackernder Blick, aus dem ich eine große innere Unsicherheit lese. Er schien sich dauernd fragen zu wollen: Glauben die mir das wirklich?

Mit der bewegendste Moment war für mich, wie er vor den jungen Soldaten steht und ihnen sagt, er würde ihnen den schon lange ausgebliebenen Sold aus eigener Tasche bezahlen, wenn er nur für jede verkaufte Kalashnikov eine einzige Kopeke erhalten hätte...

Engstfeld: Das hat mich gleichfalls bewegt und überhaupt all die leisen, gar nicht so spektakulären Momente. Wie in seiner Hand die Teetasse zittert oder er am Wasserboiler in seiner Datscha herumbastelt, wie er Kartoffeln schält und dabei dem Enkel von seinen Kriegserlebnissen erzählt. Eben all die Augenblicke, wo wir merken: Ein Mensch steht vor uns...

Wie war denn nun bei Ihren eigenen Aufnahmen in Amerika der stärkste Eindruck bei der Begegnung mit der dortigen rechten Szene?

Engstfeld: Eine beängstigende Szene. Das sind dort zum einen möchtegern-Krieger, die sich mit Waffen umgeben um ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Oder ehemalige GIs, für die Krieg das einzige wahre Leben ist und die jederzeit losziehen würden, um irgendwo in der Welt ein paar Kommunisten abzuknallen. Oder Mitglieder lokaler Militias voller Hass auf alle Bemühungen, den Waffenbesitz in Amerika zu kontrollieren. Alle knallhart rechtskonservativ und militant. Und Waffen spielen für die eine ganz besondere Rolle: Als Werkzeug, als Spielzeug, als Schmuck der Männlichkeit, als Symbol der Macht.
Dagegen setzen wir Bilder aus Afghanistan von einem Krieg, der sich wie leiser Alltag vollzieht: Der Bauer geht in ihn ebenso selbstverständlich-ruhig hinein, wie er sein Feld bestellt. Das war ein faszinierender Kontrast für mich.

Habersack: Ich möchte das aufgrund meiner unmittelbaren Afghanistan-Erfahrung in einer Weise ergänzen, die hoffentlich nicht mißverstanden wird: Als Arzt empfinde ich natürlich jedes Töten als pervers, es ist keine Notwendigkeit unseres Daseins, wie manche behaupten. Aber dort in Afghanistan gehört es nun mal dazu, ohne Wut und Haß. Es hat, Entschuldigung, sowas wie seine eigene innere Gelassenheit. Eben ganz anders als in Amerika. Dort hat für mich Töten keine innere Notwendigkeit. Aber in einem archaischen Land wie Afghanistan, wo es keine Polizei gibt, die man mal eben rufen kann, hat es einen anderen Stellenwert, an den wir mit unseren eigenen mitteleuropäischen Maßstäben nicht so ohne weiteres herankommen.

Bei solchen polarisierenden Themen hagelt es oft Protest wie Beifall aus der jeweils falschen Ecke. Rechnen Sie mit Protesten von Kriegsveteranen, für die "Kalashnikov" ebenso ein Reizwort ist wie "Stalin-Orgel" oder "Molotow-Cocktail"?

Engstfeld: Gerade sie, meine ich, sollten sich diesen Film ansehen.

Sie haben für diesen Film bisher keinen Verleiher gefunden und verleihen ihn nun selbst...

Engstfeld: Weil ich die Nase voll hatte, den Verleihern hinterherzulaufen. Nun spielen ihn gleich zwei Berliner Kinos nebeneinander. Ist doch auch ganz schön.

Mit welchem Slogan würden Sie einem Besucher antworten, der Sie fragt, warum er sich diesen Film ansehen soll?

Engstfeld: Schaut her, ihr bekommt einen Menschen aus Fleisch und Blut zu sehen! Und dieser Mensch ist zugleich ein Mythos!

Habersack: Wir zeigen Schmutz und Dreck, wir zeigen die Welt gegen den Strich gebürstet. In diesem Sinn wäre mein Slogan: Wer sich gern mal irritieren läßt, sollte sich unseren Film unbedingt anschauen!

Paul Barz

O-Ton

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M.T. Kalashnikov

Früher hatte ich nie Zeit, mir Gedanken zu machen, ob ich jemals zur Hölle fahren würde. Nicht wegen meines Charakters, sondern wegen meines Berufs. Denn der macht mich zu einem Feind der Gesellschaft.
Heute denke ich, daß ich gar keine Wahl hatte. Sicher, man kann Glück haben und wird Gärtner, Landwirt oder Tierarzt. Aber ich - ich bin ein Waffenschmied. Und das erklärt alles.


Ich hätte nie gedacht, daß meine Waffen in internationalen Konflikten
zur Anwendung kommen würden. Ich betone es noch einmal:
Ich habe diese Waffen für die Verteidigung der Grenzen
meines Vaterlandes entwickelt.


Ohne fachliche Vorkenntnisse begann ich, Skizzen für das zukünftige Sturmgewehr zu zeichnen. Es ist schade, daß dieser erste Prototyp nicht erhalten geblieben ist.
Das zweite Exemplar dieses Modells ist noch erhalten. Ich würde sagen, daß es bis heute in seiner Gestaltung unübertroffen ist. Das heißt, eine gewisse Schönheit war von Anfang an charakteristisch für all meine Waffen.


50 Jahre diente ich meinem Land unter wechselnden Herren in dieser geheimnisvollen Stadt. Denn Ischewsk war eines der Zentren der russischen Rüstungsindustrie. Und ich war ihr Geheimnisträger. Ich ging morgens zur Arbeit in die Motorenfabrik Ischmasch, die meine Waffe herstellte. Und Nachts kam ich von der Arbeit wieder nach Hause, zu meiner Frau und meinen Töchtern. Alle Welt kannte meine Waffe und meinen Namen, aber niemand mein Gesicht. Selbst mein Nachbar durfte nicht wissen, wer ich war.


"Mein Leben im Keller" - so nenne ich die Zeit, in der mir verboten war, das Land zu verlassen. Was wäre denn so schlimm gewesen, wenn meine Augen in anderen Ländern etwas Interessantes gesehen hätten.


Immer wieder wird mir die gleiche Frage gestellt - Was ich fühle, wenn ich meine Waffe in den Händen von 14 jährigen Somalia sehe, oder als Ägyptens Premierminister Sadat mit einer Kalaschnikow erschossen wurde.
Ob man es mag oder nicht, man muß damit leben. Wie mit einem Granatsplitter im eigenen Körper. Er ist da - in deinem Körper, lange eingeschlossen in vernarbtem Gewebe. Man vergißt ihn in der Routine des Alltags . Aber was machst du, wenn eine kleine Wendung plötzlich akute Schmerzen verursacht.


Wenn ich über die Welt nachdenke, dann kommt mir ein Begriff aus meinem Beruf in den Sinn: "Querschläger". Das ist es, was den Waffenkonstrukteuren passiert ist. Zumindest uns dreien. Eugene Stoner, in Amerika Uzil Galil in Israel und mir. Wir entwickelten unseren automatischen Waffen, um die Nazis zu besiegen. Doch die Geschosse aus der M16 töteten Vietnamesen, die für die Einheit ihres Vaterlandes kämpften. Feuerstöße aus den Uzis zerbrachen die Hoffnung auf Frieden für Palästina. Und was kann ich über meine AK sagen? Hier verzeichnet die Geschichte vielleicht die bedrückendsten "Querschläger" : Bürger töten ihre Mitbürger.


Ich habe mich oft mit Waffenkonstrukteuren getroffen. Manchmal werden wir so hingestellt, als würden wir Waffen zum Töten von Menschen erfinden. Das ist Unsinn Jeder Konstrukteur entwickelt Waffen zum Schutze seines Landes.
Werden diese Waffen anderweitig eingesetzt, sind weder der Konstrukteur noch seine Arbeit daran schuld. Mein Anliegen ist es, der Menschheit im Gedächtnis zu bleiben. Und zwar als ein Mensch, der Waffen geschaffen hat, um die Grenzen seines Landes zu schützen. Das ist mein größter Wunsch, das soll der Menschheit von mir im Gedächtnis bleiben. So wird es sein, anders darf es nicht sein


Meine Tochter Lena zeigte mir mal einen Artikel in einer Zeitung und sagte: "Hier steht, daß Eugene Stoner, der Konstrukteur der M16 ein gigantisches Vermögen mit seiner Erfindung gemacht , aber keine einzige Auszeichnung seiner Regierung in Washington bekommen hat. Und Du, du hast so viele Auszeichnungen aber keinen Pfennig bekommen. Sag mir Vater würdest Du mit Stoner tauschen wollen?"
Meine Antwort war ein aufrichtiges "Nein" ,und es freute mich zu sehen, daß Lena froh über meine Antwort war. Wir sind halt anders als die Amerikaner. Ich meine nicht die kommunistische Ideologie oder sowas, sondern etwas tief Russisches: Unser innige Beziehung zu dem Land unserer Geburt. So sind wir eben.

Filmographie
Herbert Habersack


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längere Filme als Autor und Regisseur:
- 1990 "Aconcagua”/Südamerika,45´, Prod: Lotus-Film/ORF, Ausstrahlung ORF+3-Sat (Co-Autor/Co-Regie)
Der höchste Berg Amerikas und seine vielen Gesichter: Schauplatz von Menschenopfern und Kristallisationspunkt altamerikanischer Mythen .... Brennpunkt junger Nationalismen oder ultimativer Fluchtpunkt sportlichen Ehrgeizes ....

- 1992 "Workuta – das Unmögliche Leben” /Nordrußland, 45´, Prod: Lotus-Film/ORF, Ausstrahlung ORF, NDR, 3-Sat
Nördlich des Polarkreises, in einer Gegend, von der noch der letzte russische Zar sagte, menschliches Leben sei hier absolut unmöglich, bemühen sich Menschen verzweifelt, die Fiktion eines normalen Lebens aufrechtzuerhalten. Wie in keiner anderen spiegeln sich in dieser Stadt Geschichte und Zustand der Ex-Sowjetunion wider. In Workutas Boden liegen hunderttausende Opfer aus Stalins größtem Lagerbezirk und die wertvollste Kohle Rußlands. Den Häftlingen des Gulags — Russen, Deutschen, Österreichern, doch auch Franzosen, Amerikanern und sogar Japanern — wurde diese Stadt zum Verhängnis, wie auch den Kumpeln des modernen Workuta. Einmal mehr ringen sie ums Überleben, in einem Sumpf aus Wirtschaftskatastrophe und Gewalt.

- 1993/94 "Im Land Bod — auf der Suche nach dem Alten Tibet” /Tibet und Nepal, 2 x 45´ deutsche Fassung, 1 x 60´ engl. u. franz. Fassungen, Prod. Lo-tus-Film/ORF/öst.Unterr.Ministerium, Ausstrahlung ORF-Universum, ARTE, Australian Broadcasting Corp., SF, BR, Tele Catalunia, 3-Sat u. a.
Als erstes Filmteam der Welt in einer der entlegensten Regionen Asiens......
Nur durch die Gunst der Geographie und durch historischen Zufall erhielten sich einige Biotope tibetischer Ursprünglichkeit, geographisch in Tibet, doch politisch außerhalb der heutigen chinesischen Grenzen. Seit jeher tiefste Provinz, vermitteln diese sehr schwer zugänglichen Gebiete den Eindruck, daß die tibetische Kultur wohl auch im Inneren schon lange einem tödlichen Alterungsprozeß unterworfen war.
Die Lebenskraft der tibetischen Kultur liegt heute mit Sicherheit außerhalb der historischen Grenzen, die Reste des alten Tibet verharren im Traum, faszinierend, exotisch — und wahrscheinlich dem Tod geweiht.

- 1995 "Alois Mock – Ich habe Glück gehabt” , 42´Prod. ORF
Ausstrahlung als ORF-"Report-Spezial" und im 3-sat, (Co-Autor und Co-Regie)
Filmisches Resumee eines der prägendsten österreichischen Politiker der Nachkriegszeit, des ehemaligen Außenministers Alois Mock. Orientiert an seinem literarischen Vorbild Cyrano de Bergerac versuchte er, auch als Politiker Edelmut und Anstand zu wahren.
Mag auch mancher behaupten, dies sei im Politiker-Beruf grundsätzlich nur schwer möglich ....

- 1995/96 dreiteilige TV-Serie "Wildtiere", 3 x 50´:
"Großer Bruder Bär"
"Adlerblick und Falkenschwingen"
"Geweihte und Gehörnte"
Prod. Goess-Film/ORF/BR, Ausstrahlung ORF-Universum, BR, div. 3. Programme Deutschland
Betrachtungen über Bären, Adler, Hirsche etc. und ihr (Über-)Leben in einer zunehmend "zivilisierten" Welt, präsentiert von einem der prominentesten Schüler des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz

- 1998 "Bees — A Life for the Queen" , 45´/50´, Prod: Adi-Mayer-Film/ORF/WDR/ORF/ österr. Unterrichtsministerium , Ausstrahlung ORF-Universum, WDR, NDR u.a. (Co-Autor und Co-Regie)
1. Preis "Rockie Award" TV-Festival Banff/Canada 1999
Österr. Fernsehpreis "Goldener Bildschirm", Kategorie Dokumentarfilm
Ein beinahe futuristischer Film über das ausgeklügeltste Gemeinwesen der Tierwelt. Ihren wissenschaftlichen Ruf verdankt die Biene so bekannten Fähigkeiten wie der "Bienensprache” oder ihrem subtilen Orientierungssinn.
Als Biene Maja ist sie nett, freundlich, friedlich, fleißig.
Und außerdem macht Honigbrot die Wangen rot.
Ungern hinterfragt wird hingegen die Form der Bienen-Sozietät, sind doch die Grundlagen des Bienenstaates — in unserer Sichtweise — geradezu klassisch totalitär:
Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. — Gemeinnutz geht vor Eigennutz.

- 1998/99/2000 "Automat Kalashnikov", 45´/90´, Prod. Engstfeldfilm/Adi-Mayer-Film/Kalamazoo/d-network, Fin: Filmstiftung Nordrhein-Westfalen/Eurimages, WDR, ARTE, ORF, EURIMAGES. S-16/35mm (Autor, Co-Regie)
Portrait der bekanntesten Waffe der Welt und ihres Konstrukteurs, des 80-jährigen Russen Michail Timofejewitsch Kalashnikow

- 1999/2000 "Ur-Amazonas" , 45´/50´; Prod: Epo-Film/ORF/ZDF/Canal+, Ausstrahlung ORF, ZDF
Ein Film entlang dem prähistorischen Lauf des Amazonas, der vor der Abspaltung Südamerikas paradoxerweise in der zentralen Sahara entsprang und nach Westen floss.....

Pressekritiken Zitty
Dokumentation
Brotfabrikkino, 21.00
Eiszeit 2, 21.30

Automat Kalashnikov: Den Namen dieses Gewehres kennt jedes Kind. Doch hinter der Bezeichnung Kalashnikov steckt auch eine Person: Michail T. Kalashnikov, der Erfinder. Inzwischen ist er alt, hoch dekoriert und lebt seit über 50Jahren in einer bis vor kurzem noch völlig isolierten Militärstadt im Ural. Die beiden Dokumentarfilmer Axel Engstfeld und Herbert Habersack verbinden die Lebensgeschichte des Herrn Kalashnikov mit seltenen Archivaufnahmen: vom Zweiten Weltkrieg, aus der UdSSR und von den verschiedenen Einsatzorten in der Welt, wo das meistbenutzte Gewehr der Welt noch immer für Unheil sorgt. Wobei klar wird: Herr Kalaschnikow ist mit seiner Erfindung offenbar auch nicht so richtig glücklich geworden.
MS




BZ
"Automat Kalashnikov"

Die Kalashnikov ist eine der meist verbreiteten Kriegswaffen der Welt. Der spannende Dokumentarfilm "Automat Kalashnikov" von Axel Engstfeld und Herbert Habersack erzählt die Entstehungsgeschichte der Maschinenpistole. Ihr Erfinder Michael T. Kalashnikov entwickelte die Waffe während des zweiten Weltkriegs. Heute muss der inzwischen 80-Jährige mit einer monatlichen Rente von 70 Mark leben, während seine Waffe weltweit über 70 Millionen Mal verkauft wurde. Nachdenklich erzählt der Alte im Interview über die geheimen Machenschaften in der Sowjetunion, die erst spät enthüllt wurden. Ein fesselndes und zugleich erschreckendes Portrait.
19.10.2000




tip 21/2000
Automat Kalashnikov

Deutschland 2000: Regie: Herbert Habersack, Axel Engstfeld, 95 Minuten.
Die AK 47 ist die weltweit meist verbreitete Maschinenpistole. Mehr als 70 Millionen Stück solle es davon geben, seit 1947 in jedem Krisenherd der Erde. In den Händen von Regierungssoldaten und Freiheitskämpfern, Waffennarren und Gangstern. Ihr Erfinder, Michail Kalashnikov, erweist sich in der Dokumentation von Engstfeld und Habersack als freundlicher älterer Herr, der in seiner Freizeit gern Blümchen pflanzt. Und der bei aller Nachdenklichkeit über die Wirkungen seiner Erfindung dann doch stolz ist auf ihre Zuverlässigkeit und Schönheit. Kommentieren müssen die Regisseure dieses Portrait einer Waffe nicht: Die emotionslose Sachlichkeit, mit der Militärs, Polizisten und Ballistikexperten über Handhabung und Effektivität des Automaten berichten, ist erschreckend genug.

sehenswert




Tagesspiegel 19.10.00
Fluch und Segen des Erfinders
Zu Besuch beim Waffenschmied: "Automat Kalashnikov"

Weltberühmt hat es ihn gemacht, aber kaum glücklich und erst recht nicht reich: das automatische Gewehr, das Mikhail Kalashnikov ohne große Erfahrung unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs erfand, um das Vaterland zu verteidigen. Inzwischen ist die "AK 47" die vermutlich am weitesten verbreitete Waffe in der Welt -robust, zuverlässig, einfach zu reparieren und beliebt in jedem Bürger- und Bandenkrieg. Axel Engstelle und Herbert Habersack haben den mittlerweile über 80-jährigen Kalashnikov besucht, der als Kind mit seiner Familie nach Sibirien verschleppt worden war und später jahrzehntelang in einer jener geheimen Städte in der Sowjetunion lebte, wo nicht einmal die Nachbarn wissen durfte, wer er war. Kontrastiert mit den Aussagen von US-Waffenexperten und afghanischen Guerillakämpferern, von Polizisten und Jugendlichen in Los Angeles entsteht nicht nur das Porträt eines Waffenschmieds, sondern auch eine Reflexion über das Dilemma seines Metiers: Segen und Fluch sind stets untrennbar verbunden.
Sven Lorenzson




FAZ
Der Schießaugust
Ein deutscher Dokumentarfilm über Michail Kalashnikov

Die Kalaschnikow hat Michail Kalaschnikow berühmt gemacht, ein Sturmgewehr, das für den Kampf gegen die Nazis gedacht war, aber erst 1947 fertig wurde und bis heute in jedem Krisenherd der Welt zum Einsatz kommt. Fachleute loben seine Verlässlichkeit, seine Robustheit und seine Benutzerfreundlichkeit. Militariafetischisten sprechen von der Schönheit und der Eleganz dieser Waffe. Jedes Kind kennt ihren Namen. Mit Kalaschnikows gingen sowjetische Besatzer gegen afghanische Taliban vor. Mit Kalaschnikows schlugen die Taliban zurück. Maos Soldaten trugen sie, ebenso die Kämpfer des Vietcong.

In der westlichen Hemisphäre ist die Kalaschnikow heute fast so etwas wie eine Metapher. Sie steht für brutale sowjetische Eroberungspolitik, für die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West, für Bürgerkrieg und aus Moskau gesteuerten Klassenkampf. Die "AK47", wie sie im Fachjargon heißt, hat der amerikanischen Weltpolizei, dort wo der Kalte Krieg zum heißen wurde, die größten Niederlagen beschert. Nicht zufällig zierte sie das Logo der RAF.

Wer wie Axel Engstfeld und Herbert Habersack einen Dokumentarfilm über den "Automat Kalashnikov" und ihren Erfinder dreht, der tut das in dem Bewußtsein, ein heikles Thema anzufassen. 17 Millionen "AK47" sind in verschiedensten Versionen noch immer auf der ganzen Welt im Einsatz. Mit einem entsprechenden Magazin ausgestattet, können sie 1200 Kugeln pro Minute abfeuern, jede einzelne kann einen Menschen umbringen. Um dem Zuschauer ein Gefühl für die Verbreitung dieser Waffe zu vermitteln, springt der Film (offensichtlich kein Low-budget-Projekt) zwischen den Krisenherden dieser Welt hin und her.

Man sieht bildschöne Taliban in blinder Wut in die afghanischen Berge ballern, bleichgesichtige, unterernährte russische Soldaten in der Grundausbildung die "AK47" mit verbundenen Augen zusammenbauen. Stripperinnen in einem russischen Nachtclub schultern das Sturmgewehr ebenso wie schwarzverschleierte Musliminnen in Afghanistan. Schnelle Schnitte, häufige Kameraschwenks verhindern, daß der Zuschauer sieht, was die Waffe anrichten kann. "Automat Kalashnikov" handelt von einem Mythos und stilisiert dessen Schöpfer zu einem tragischen Helden der Weltgeschichte.

Natürlich kann man Michail Kalashnikov nicht vorwerfen, daß heute vierzehnjährige Somalier mit seiner Erfindung den Ernstfall trainieren oder daß amerikanische Jugendgangs mit der "AK47" auf Polizisten zielen. Gäbe es Kalashnikov nicht, gäbe es andere Waffen, die andere Waffenschmiede entworfen hätten. Was die Autoren des Films dem Zuschauer als die besondere Tragik des Michail Kalaschnikow vermitteln wollen, gehört zum Beruf des Waffenkonstrukteurs. Er entwirft Geräte, die töten sollen, und wenn sie es tatsächlich tun, kann er nicht sagen, das habe er so nicht gewollt.

Michail Kalashnikov, der noch immer in Ischewsk im Ural lebt, wo er als Geheimnisträger fünfzig Jahre lang kaserniert war, fühlt sich auch nicht als ein Zauberlehrling, der seiner Geister nicht mehr Herr wird. Wenn er im Film zu Wort kommt, gibt er sich als stolzer Militär und russischer Patriot. Es ist ihm, dem Autodidakten aus kleinen Verhältnissen, eine Ehre, Erfinder und Pate des bekanntesten Sturmgewehres der Welt zu sein.

Die Motorenfirma "Ischemasch", die ihm für seine Erfindung auch nie nur eine Kopeke gezahlt hat, stellt ihrem "senior director" weiterhin ein großes, fast leeres Büro mit einem riesigen, leeren Schreibtisch zur Verfügung. Die groteskeste Szene des Films zeigt ihn, wie er dort neben einem knallroten Plastiktelefon sitzt und Autogrammkarten unterzeichnet.

Die Tragik kommt derweil aus dem Off: "Früher hatte ich nie Zeit, mit Gedanken zu machen, ob ich jemals zur Hölle fahre würde. Nicht wegen meines Charakters, sondern wegen meines Berufs. Denn der macht mich zum Feind der Gesellschaft." Wenn man den Achtzigjährigen sieht, wie er in Generalsuniform junge Wehrpflichtige zum Durchhalten anspornt oder am "Tag des Sieges" Ehrungen von Veteranen entgegennimmt, möchte man nicht glauben, daß das Ich, das hier spricht, Michail Kalaschnikow gehört.
Stefanie Flamm
19.10.2000




Berliner Zeitung
Neu im Kino

Automat Kalashnikov: Tief im Ural lebt Michael T. Kalashnikov, der Mann, dessen Erfindung (eine Waffe) zum Symbol für Menschenvernichtung wurde. Der Dokumentarfilm von Herbert Habersack und Axel Engstfeld fügt als spannendes Zeitdokument seine Rechtfertigungen und Selbstzweifel zu einem einfühlsamen Portrait des Erfinders Kalashnikov und seines untergegangenen Landes, der Sowjetunion. Durch aufregende Montagen mit Bildern aus Afghanistan und Los Angeles vermittelt der Film auch Faszination und Schrecken der Waffe, die bis heute als unübertroffen gilt. US-Cops erzittern in Ehrfurcht; Mudschaheddins bedanken sich artig.




Berliner Zeitung
So schön wie meine Waffe
Ein Dokumentarfilm über die "Automat Kalashnikov"

Von Philipp Bühler

Als Michael T. Kalashnikov in den Krieg zog, war er nur mit seiner Mütze bewaffnet. Zwei Soldaten teilten sich ein Gewehr. Als Kalashnikov wieder heimkam, konstruierte er in einem geheimen Rüstungszentrum im Ural eine Waffe, die bis heute allen anderen ihrer Art überlegen ist: die AK-47, die "Automat Kalashnikov". Leicht und doch robust, mit einer verheerenden Durchschlagskraft und zwei- bis dreihundert Meter Schussweite, wurde sie zu einem der berühmtesten Sturmgewehre in sämtlichen Krisenherden in der Welt. Vielleicht wird sie als einziges bleibendes Vermächtnis des sowjetischen Imperiums in die Geschichte eingehen. Wird man sich dann an ihren Erfinder erinnern?

Der Dokumentarfilmer Herbert Habersack hat ihn besucht, im Ural, wo der heute 80-Jährige zusammen mit seinem Sohn noch immer an der Vervollkommnung seines Lebenswerks arbeitet. Nur zum Schutz seines Landes, beteuert er immer wieder, habe er die Waffe entwickelt. Dass die AK heute auf dem freien Markt verscherbelt wird, tut dem Apparatschik, der einmal als Autodidakt begann, weh. Zum Querschläger sei seine Waffe geworden, ein Schicksal, das er mit anderen teile.

Eugene Stoner, der Erfinder der amerikanischen M16, der Israeli Uzil Galil mit seiner Uzi, und er: Sie alle haben ihre Gewehre für den Kampf gegen die Nazis entwickelt. Nun sieht Kalashnikov seine Waffe in der Hand eines 14-jährigen Somaliers. Und muss hören, dass Sadat mit einer Kalashnikov erschossen wurde. Aber dann ist da auch der Moment, als er vor seine Waffe tritt, sich aber vorher noch die Haare kämmt. "Ich muss doch ebenso schön sein wie mein Gewehr", sagt er. Hinter den wachen Augen dieses behäbigen Mannes tobt ein stiller Kampf zwischen Stolz und Bitterkeit. Verbittert steht er nun vor seinen Arbeitern, um ihnen zu erklären, dass er ihren Lohn gerne aus eigener Tasche bezahlen würde. Es ist eine bewegende Szene, in der sich auch das Drama der Sowjetunion ausdrückt. Über 70 Millionen Kalashnikovs kreisen um den Erdball; Michael T. muss von 70 Mark Monatsrente leben. Mit einem Angestellten, vor einem tatsächlich roten Telefon sitzend, flachst er über die Autogrammwünsche, die ihn bevorzugt aus Deutschland erreichen. Würde er das Rückporto behalten, wäre er Millionär.

"Automat Kalashnikov" ist nicht nur ein einfühlsames Portrait eines Menschen, sondern bleibt als Stück Zeitgeschichte auch jederzeit der Steckbrief einer Waffe. Habersacks Kollege Axel Engstfeld ist den verheerenden Wirkungen der AK-47 in einer weiteren Krisenregion nachgegangen: Los Angeles. In den Hospitälern lässt er sich Fotos von zerfetzten Körpern zeigen. Polizisten des L.A.P.D. berichten vom besonderen Klang der Waffe, gegen die nicht einmal der Streifenwagen Schutz bietet. Und dann manipuliert der Film auch ein bisschen: über den irrwitzigen Schießübungen amerikanischer Paramilitärs dröhnt ein Soundtrack wie in einem Kriegsfilm. Der schmale Grat zwischen Faszination und Abscheu stürzt in sich zusammen, zurück bleibt eine Irritation. Der Mann, der das Gewehr erfand und dafür kein patent bekam, sitzt derweil beim Eisfischen vor seiner Datscha. Er kann bedauern, dass sich seine Waffe von ihm, seinem Land und seinen Idealen längst gelöst hat, Glauben kann er es selbst nicht ganz.
19.10.2000