Der letzte Donaufischer
Regie   Niko Remus
Kamera Uwe Schäfer
Ton Geza Demeter
Schnitt   Brigitte Schröder-Zimmermann
Länge   45 Minuten
Format 16mm
Sendung 1996 ZDF
Synopsis
Im frühen Morgenlicht legt Fischer Mayer seine Netze aus. Diesmal ist er mit seinem Boot in einen seichten Nebenarm des Stromes hineingefahren, der einen guten Fahrt verspricht. Man hat den Eindruck, in einem weit entfernten Urwald zu sein. Aber es sind die jahrhundertealten Auwälder entlang des letzten frei fließenden Stückes der deutschen Donau. Nur 70 Kilometer sind ihr geblieben, zwischen Straubing und Vilshofen, auf denen der Fluß noch nicht durch Staudämme in eine Kette fast stehender Gewässer verwandelt worden ist.

Johann Mayer ist an diesem Fluß aufgewachsen. Schon als Kind ist er mit seinem Vater zum Fischen hinausgefahren. Von ihm hat er sein Handwerk gelernt, wie der von seinem Vater und so fort, bis zurück ins Jahr 1705. Seitdem sind die Mayers Berufsfischer, hier an der Donau, in den Auwäldern, die gelegentlich auch als die letzten Regenwälder Europas bezeichnet werden.

Noch zu den Zeiten seines Großvaters mußten die Fischer in den Wintermonaten Geld dazuverdienen. Sie schnitten aus der zugefrorenen Donau Eisblöcke heraus, die sie an die Kühlhäuser in der Stadt verkauften. Die dazu benutzte Säge liegt noch bei Johann Mayer auf dem Speicher. Daneben stehen ein paar Lederstiefel, als seien sie eben erst dort abgestellt worden. "Die sind noch aus der Zeit", sagt er, "als es noch keine Gummistiefel gab."

Die Bedingungen haben sich seitdem zum Besseren gewandelt. Die Erträge aus der Donaufischerei reichen der Familie Mayer das ganze Jahr über.

Beim Einholen der Netze hilft der Sohn Stefan. Der Fisch wird zu Hause im eigenen Betrieb verarbeitet und später auf dem Markt verkauft. Etwa 58 verschiedene Arten gibt es hier. Wie schon seine Vorfahren achtet Johann Mayer genau darauf, daß er die Bestände nicht überfischt und daß das Gleichgewicht zwischen den Fischarten bestehen bleibt. An der deutschen Donau ist er inzwischen der Letzte seines Standes, der letzte hauptberufliche Donaufischer.

Sohn Stefan würde den Betrieb gerne weiterführen, aber dafür sind die Aussichten denkbar schlecht. Auch in diesem letzten freien Donaustück sollen jetzt Staustufen gebaut werden. Die Rhein-Main Donau AG, die bereits den umstrittenen Main-Donau-Kanal gebaut hat, will zwei riesige Stauwehre in den Abschnitt einbauen. Die Funktionäre sagen, daß der Ausbau notwendig sei, um den Flaschenhals der Großschiffahrtsstraße Donau zu schließen. Fischer Mayer sagt, daß dieser Teilabschnitt des Flusses der letzte ist, wo das Wasser sich noch frei in seinem Bett bewegt und regelmäßig die Ufer überschwemmt. "Der Fluß ist dann kein Fluß mehr, sondern nur noch ein Stau", sagt der Fischer.

Der Stau des Flusses wäre das Ende für die Fischerei, dann würde hier das passieren, was der Fischer vom Fluß auch oberhalb von Straubing kennt, oberhalb des nächsten Staudamms. Dort hat er erlebt, daß nach nicht allzulanger Zeit der Fischbestand zurückgegangen ist. In den stehenden Bereichen des Flusses, die mit der Zeit verschlammen und veralgen, sind ganze Arten ausgestorben, einfach so, lautlos, unsichtbar.

Von der Staustufenplanung wollen die Bauherrn aber nicht abrücken. Trotz der Kritik hält die Rhein-Main-Donau AG am vollen Ausbau fest. Für die Aktiengesellschaft ist vor allem der Verkauf des Stromes interessant, der durch die Kraftwerke in den Staustufen erzeugt wird.

Niko Remus begleitet in seinem Film den Fischer Johann Mayer bei seinen Fischzügen in den letzten deutschen Donauauen, zu den ungestörten Laichplätzen und Biberburgen, in die vom Versinken bedrohte Welt eines traditionsreichen Berufsstandes.

Pressekritiken Hamburger Abendblatt 8.8.96

Der letzte Donaufischer (Dienstag, ZDF)

Lebt der Fluß, atmet die Landschaft. Sagt Johann Mayer aus Straubing, der in Nebenaren der Donau fischt. Sein Revier, ein Naturreservat, ist bedroht durch den Fluß-Ausbau in Staustufen. Niko Remus gelang die sensible Nahaufnahme eines Mannes, der gelassen weiter Hechte, Barben Karpfen fängt, obwohl die Kanalisierung ihm das fließende Wasser raubt. Das sympathische Portrait samt kleiner Fischerei-Chronik weitete sich zum aktuellen Umwelt-Report aus. Während Bayerns Ministerpräsident Stoiber, leicht gereizt, den neuen "Industriehafen" Straubing feiert, demonstrieren Naturschützer gegen weitere Beton-Projekte. Fischer Mayers stiller Kampf um den freibewegten Fluß als Modell-Konflikt von Ökonomie und Ökologie: Ein Report zum Nachdenken.
Günther Wolf




Offenbach Post 8.8.96

Sorgfältig beobachtet
"Der letzte Donaufischer (Dienstag, ZDF)
Zwischen Straubing und Vilshofen schickt man sich an, die Donau durch den Ausbau von Staustufen für die Schiffahrt berechenbarer zu machen. Damit würde man ihr jedoch nicht nur ihren ursprünglichen Charakter nehmen, sondern auch den Lebensraum vieler Fischarten vernichten, Film-Autor Niko Remus hatte den letzten Vollerwerbsfischer dieser Region besucht und sich von ihm erklären lassen, was solche Eingriffe in die Natur für Folgen haben. Die sehr sorgfältig fotografierte und getextete Reportage wurde zu einem Plädoyer für den unverbauten Fluß. Ohne in Polemik zu verfallen, konnte der Autor nachweisen, welch unverzeihliche, weil irreparable Spünde es wäre, die Aulandschaften mit ihrer vielfältigen Flora und Fauna zu zerstören und sich dafür eine bislang unrentable Wasserstrasse einzuhandeln. Ein Film, der aufzeigte, wie schwer es sein wird, hier einen goldenen Mittelweg zu finden.
Thomas Helling




Frankfurter Rundschau 8/8/96
"Der letzte Donaufischer" (ZDF)

Beeindruckend
Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluß. Doch bald steht das Wasser auch im letzten, noch nicht ökologisch gemeuchelten Stück Donau bei Straubing still. Dort fischt die Familie von Johann Mayer, und zwar seit 1705. Niko Remus hat den Fischer und seine Frau portraitiert. Der Film mit dem bewußt unscheinbaren Titel "Der letzte Donaufischer" wirft jedoch keinen nostalgisch verklärten Blick auf das Fischereihandwerk.
Die bei aller Dichte atmosphärisch bleibende Dokumentation zeigt zunächst beeindruckende Bilder der Flußlandschaft. Sodann werden die ökologische Folgen der anstehenden Flußbegradigung minuziös aufgezeigt.
Das strömungsfreie Staubecken verwandelt den Flußlauf in trübe Tümpel. Ohne den notwendigen Wasserdurchfluß werden die Fische fett und sterben aus. Diese Zusammenhänge werden sorgfältig und nicht überstürzt mit Bildern vor Ort vermittelt. Johann Mayer wirft vor der Kamera seine Netze aus und fängt Herz und Verstand des Zuschauers. Der Film entwickelt sich langsam und ruhig, wie ein Fluß.

Doch einmal in Fahrt gekommen, "rammt" er den Zuschauer mit der Wucht eines Güterzugs im Schritt-Tempo. Die schwierige Vermittlung des Zusammenhangs zwischen dem Mini-Ökosystem der Donau und den fragwürdigen wirtschaftlichen Interessen des Ausbaus zur Wasserstrasse gelingt. Die natürliche Flußlandschaft soll in eine Art Öko-Disneyland in dem nichts mehr lebt, umgewandelt werden. Für eine Schiffahrt, die es definitiv nicht mehr gibt, entstehen Industriehäfen, die allein am Tag ihrer Einweihung geisterhafte Geschäftigkeit für die eingeflogene Polit-Prominenz simmulieren.
So gelingt es Remus´ Dokumentation, ohne thematische Überfrachtung einen Bogen zu schlagen, der bei einem einfachen Fischer beginnt und bei einem Wirtschaftswahn endet, gegen den sogar die konservative bayerische Landbevölkerung auf die Strasse geht.
Für die ZDF-Reihe "37 Grad", die ansonsten mit ihren 30min-Filmen eher einem begradigten Flußlauf ähnelt, ist "Der Letzte Donaufischer" ein erstaunlich vitaler Beitrag.
Manfred Riepe

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