Olympia - Die Träume der Athleten
Regie   Axel Engstfeld
Kamera Wolfgang Thaler
Ton Norbert Schröder
Schnitt   Josef van Ooyen
Länge   90 Minuten
Format S16mm
Sendung 2000
Synopsis
Der Film beobachtet die Vorbereitungen von 5 Athleten aus fünf verschiedenen Ländern zu den olympischen Spielen. Er beginnt ein Jahr vor den Olympischen Spielen 2000 und endet am Tag nach den Wettkämpfen in Sydney.

Die fünf Athleten repräsentieren verschiedene Sportarten und stammen aus unterschiedlichem sozialen Umfeld, doch allen gemeinsam ist der Traum vom großen Sieg bei den Olympischen Spielen.

Der Film gibt Einblick in das Leben der Athleten, das bestimmt ist durch jahrzehntelanges Training und ausgerichtet auf die wenigen Sekunden der perfekten Performance.

Die Methoden immer fortschreitender Verbesserung des Körpers, die Reservoirs mentaler Stärke und die Grenzen der menschlichen Leidens- und Leistungsfähigkeit sind zentrale Themen des Films.

Pressekritiken Funkkorrespondenz 39/2000

Lakonische Einblicke
Axel Engstfeld: Die Träume der Athleten
ARD/NDR Do 14.9.2000 23.00 bis 0.30 Uhr

Dass man auch Zuschauer in den Bann ziehen kann, die ansonsten wenig Neigung verspüren, sich näher mit der schönsten Nebensache der Welt auseinanderzusetzen, die hier einmal für Sport allgemein und seine Protagonisten stehen soll, dafür lieferte Axel Engstfeld mit seiner fesselnden Dokumentation über sechs Athleten aus vier Kontinenten den Beweis. Sicher haben Bilder aus Havanna mit Schuljungen, die alle den Traum von der großen Boxerkarriere träumen, ihren eigenen Reiz – wiewohl andererseits gerade diese Eingangsszenen mit dem Anknüpfen an den seit Wenders "Buena Vista Social Club" schon penetranten Kuba-Trend eher verstimmte. Doch nur kurz währte dieser auf die visuelle Faszination setzende Einstieg, bei dem der kubanische Box-Schwergewichts-Champion Felix Savon vorgestellt wurde, und ein Schnitt versetze in die Welt der amerikanischen Sprinter-Stars in Los Angeles. Weiter ging es nach Äthiopien zur Weltmeisterin über 10 000 Meter Gete Wami und von dort zurück nach Europa zum Berliner Bahnradrennfahrer und Weltmeister Robert Bartko.

Axel Engstfeld, erfahrener und mehrfach preisgekrönter Dokumentarist (unter anderem für die beispielhafte Dokumentarreihe von Radio Bremen "Unter deutschen Dächern"), weiß natürlich um die Wirkung solcher Kontraste. Mit seiner nüchternen, Distanz wahrenden, Beobachtung führte er in die so unterschiedlichen Welten und die dort lebenden und trainierenden Athleten ein, die ein gemeinsames Motiv haben: Teilnahme und Sieg bei den Olympischen Spielen. Dabei blieb er stets eng an den ausgewählten Personen und vermied jeden pseudo-sozialkritischen Kommentar. Die eingefangenen Bilder von den Sportlern und ihrer Umgebung waren aussagestark genug und weckten jenseits des Interesses für sportliche Ausnahmeleistungen eine ganz anders geartete Anteilnahme.

Die in kurzweiligen 90 Minuten gebrachten Einblicke in das Leben der Athleten basieren auf über Monate hin gemachten Begegnungen und Beobachtungen. Durch die gewählte Dramaturgie, jeweils wieder den Faden dort aufzunehmen, wo man zuletzt etwas über ihre Pläne und Hoffnungen erfahren hatte, erreichte die Dokumentation eine eigene Spannung und Dynamik. Das damit einhergehende Stilmittel der Kontrastierung – hier der amerikanische Sprintstar in seinem Luxushaus in Los Angeles und dort der kubanische Nationalheld, der nach dem Training auf möglichst kostenfrei Lebensmitteleinkaufstour für seine fünf Kinder geht – war sowohl begründet und entbehrte der effekthascherischen Wirkung. Eher wurde sogar das Gegenteil erreicht. Mit zunehmender Dauer des Films verdichtete sich die lakonische Einsicht: sie ist eben so wie sie ist, unsere schönste aller Welten.
22.9.00 – Marianne Engels-Weber/FK




Frankfurter Rundschau
Donnerstag 14.9.2000

Feuer und Flamme für die Olympischen Spiele
Fesselnde Dokumentation über sechs Sportler, die ein Ziel verbindet:
ein Sieg in Sydney

Von Henning Sieta
"Olympia – Die Träume der Athleten", ARD, 23.00 Uhr. Aus dem Heer der Sportler in aller Welt, die für die Olympischen Spiele in Sydney trainieren, hat der Dokumentarfilmer Axel Engstfeld sechs Kandidaten herausgegriffen und bei den Vorbereitungen und in ihrem Privatleben beobachtet. Es handelt sich um die zurückhaltende Langstreckenläuferin Gete Wami aus Äthiopien, den charismatischen Schwergewichtsboxer Felix Savon aus Cuba, die selbstdarstellerisch hoch begabten amerikanischen Sprintstars Inger Miller, Ato Boldon und Maurice Green sowie den nüchternen Radrennfahrer Robert Bartko aus Deutschland. Alle kennen nur ein Ziel: Sie wollen nach Sydney, und sie wollen siegen.

Amerikanische Sprintstars sind Teil des Showbusiness und führen ein abgeschottetes Leben wie Hollywoodstars. So ist es ein Glücksfall, dass Axel Engstfeld den Sportler Boldon dazu bringen konnte, ihn durch seine luxuriöse Wohnung zu führen. Gelassen-souverän findet der Sprintstar zu jedem Raum einen ironischen Kommentar, am Ende legt er sich in den Whirlpool und demonstriert, wie er sich nach dem Training entspannt. Der Gegensatz zur äthiopischen Läuferin Wami, die morgens über die Rinderweiden ihrer Heimat läuft, könnte nicht größer sein.

Der Film gibt dem Boxer Savon Raum und Zeit, die wimmelnde Schar seiner fünf Kinder vorzustellen, für die er nach dem täglichen Training Lebensmittel schnorren muss. Faszinierende Bilder. Dürr und nüchtern fallen nur die Aufnahmen von Bartko, dem deutschen Protagonisten, aus. Dass sich der Eindruck eines Mangels hier kaum einstellt, liegt nicht zuletzt an der ausgezeichnet gewählten musikalischen Begleitung der Szenen.

Der Film hat einen bemerkenswert sicheren Rhythmus der Bilder und baut eine Spannung auf, die man bei diesem Thema nicht vermutet hätte. Langeweile stellt sich trotz 90 Minuten Dauer nicht ein. Kann der Radrennfahrer Bartko nach seiner Verletzung noch die Qualifikation erreichen? Sein Trainer ist knurrig und vermisst bei ihm die "Rennhärte" . Der Kubaner Savon muss in einem nationalen Kampf gegen einen jungen Rivalen antreten, der ihn schon einmal besiegt hat. Im Interview am Tag davor erscheint er unsicher – so sieht kein Sieger aus. Die Szenen des Boxkampfes sind meisterhaft gedreht, die Bilder der aufgeregten Familie des Champions suchen ihresgleichen.

Von diesem handwerklich gut gemachten, kurzweiligen Film muss gewarnt werden: Auch bei großem Desinteresse für den Sport könnte der Zuschauer für die Olympischen Spiele doch noch Feuer fangen. Zumindest um zu sehen, wie sich die sechs Protagonisten schlagen werden. Der späte Sendetermin ist unverständlich – gerade so, als würden die Verantwortlichen dem hohen Unterhaltungswert dieser Dokumentation nicht ganz trauen.




Kölner Stadt-Anzeiger
Donnerstag 14.09.00

Ästhetisch
Dokumentation von Axel Engstfeld. "Mach einen Hintergrundfilm zu Olympia", soll der NDR den Dokumentarfilmer Axel Engstfeld aufgefordert haben.
Keine ungewöhnliche Bitte, wenn man sich die Flut an Olympia-Werken ansieht, die in den letzten Wochen ausgestrahlt wurden. In Variationen wird da entweder das unbekannte Australien gefilmt oder aber Sportler werde hautnah vorgestellt.
Letzteren Ansatz hat auch Engstfeld gewählt.
Felix Savon ist kubanischer Boxer, mit zwei olympischen Goldmedaillen dekoriert und somit ein Held für seine Landsleute. Sponsoring heißt für ihn, dass er Fleisch und Süßigkeiten geschenkt bekommt. Ganz anders die Sprinter um dem amerikanischen Star Maurice Greene, denen es wirtschaftlich blendend geht und die vor Engstfelds Kamera "die übliche Show abzogen". Außerdem begleitete er die äthiopische Langstreckenläuferin Gete Wami sowie den deutschen Bahnradrennfahrer Robert Bartko. Schon etwas sehr pathetisch werden schwitzende Körper in Großaufnahme gezeigt und mit klassischer Musik unterlegt. Da wirkt der Boxkampf des Kubaners wie der Finalkampf von "Rocky 4". Kein Hintergrundfilm, wie in sich der NDR gewünscht haben mag, sondern laufende, boxende und radelnde Sportler in Zeitlupen-Ästhetik.
(res)




Neue Osnabrücker Zeitung
Donnerstag 14.09.00

Wenn Sprintstar Ato Boldon vom Training nach Hause kommt, läuft er Gefahr, sich auf seinem großzügigen Anwesen in einem Luxusviertel von Los Angelas zu verlaufen.
Ob Riesenbadewanne mit Whirlpool, "Home Theater" oder private Spielhölle - manchmal weiß Boldon gar nicht, wo er sich zuerst entspannen soll. In die Küche verläuft sich der Ausnahmeathlet allerdings nur, um sich sein Essen abzuholen. Haushalts- und Einrichtungsfragen überlässt er grundsätzlich seiner Ehefrau. Dafür ist er absoluter Alleinherrscher seines privaten Multimedia-Imperiums.
Der chauvinistische, aber dennoch sympathische Sprinter ist einer von insgesamt sechs Sportlern der Weltelite, die der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilmer Axel Engstfeld bei ihren Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele beobachtet hat. Dabei könnten die Unterschiede größer nicht sein: Zum ersten Mal durfte ein Filmteam dabeisein, wenn kubanische Boxer auf einer abgeschirmten "Finca" trainieren und ein Sprintstar seine privaten Gemächer öffnet. Da ist zum Beispiel der kubanische Schwergewichtschampion Felix Savon. In Sydney will der 32-Jährige seine dritte Goldmedaille gewinnen und sich selbst ein Denkmal in der Sportgeschichte seines Landes setzen.
Seit 20 Jahren boxt der fünffache Familienvater für Ruhm, Ehre- und 20US Dollar im Monat. Lukrative Millionenofferten schlug er immer wieder aus.
Gerd Schade



epd medien
Mittwoch 20.09.00

Buena Vista Boxing Club
"Mondän!" ließ grüßen: Als der schwarze Sprinter Ato Boldon durch seine amerikanischen Gemächer führte, erinnerte das kräftig an einen amerikanischen Prinzen, der in der ersten Staffel der Luxusreihe mit seinen Autos protzte. Boldon ist einer der schnellsten Männer der Welt. Wäre da nicht Maurice Greene, Boldon hätte olympisches Gold sicher. Greene und Boldon sind angeblich beste Freunde. Leider wird das nur erzählt, zu sehen ist davon nicht viel, obwohl sie für den gleichen Club rennen und den gleichen Manager haben.

Natürlich ließ sich Axel Engstfeld nicht entgehen, dem Sprinter durch seine Villa zu folgen, Hier der begehbare Kleiderschrank (nur Sportklamotten9, dort der Fitness-Raum, da das Schlafzimmer mit dem flachen TV-Monitor an der Wand; aber alles sah aus, wie eines dieser amerikanischen Hotelzimmer: unpersönlich, leblos. Für den Kontrast sorgten, ein absehbarer Effekt (den man durchaus auch abgeschmackt finden kann). Die Goldhoffnungen aus Äthiopien und Kuba.

Gerade Felix Savon, kubanischer Boxer, taugte bestens als Gegenentwurf zu Boldon (der in Sydney übrigen für Trinidad-Tobago startet): Savon ernährt eine Kinderschar (sechs oder sieben, sagt er) nicht etwa als Profiboxer. Trainieren kann er erst nach Feierabend, und weil sein Lohn nicht reicht, geht er zum Beispiel zum Schlachthof, um sich Reste schenken zu lassen, Angeboten in Millionenhöhe für einen Kampf gegen Mike Tyson hat Savon widerstanden; er boxt " für die Liebe des Volkes".
Engstfeld unterlegt das mit jener Musik, die man dank Wim Wender‘s Film "Buena Vista Social Club" bald nicht mehr hören kann.

Der Film funktioniert leider nicht, denn Engstfeld hat kein dramaturgisches Konzept (zumindest kein sicht- oder spürbares): Die Spannung stieg nicht, dafür aber die Langeweile. Von L.A. nach Kuba nach Addis Abeba zurück nach L.A. (dort beobachtete Engstfeld neben Boldon und Greene auch noch die Sprinterin Inger Miller). Zwischendurch gab’s auch Stippvisiten in Deutschland: Ganz ohne deutsche n Athleten wollte Engstfeld wohl doch nicht auskommen. Ausgerechnet hier aber war der Film am schwächsten. Über den Bahnradfahrer Robert Bartko erfuhr man zwar eine Menge, über Bartko selbst aber überhaupt nichts. Als Bartko, der sich in einem eigens für ihn angesetzten Einzelzeitfahren für Sydney qualifiziert hatte, drei Tage nach dem Film tatsächlich die Goldmedaille gewann, gab es keinerlei Wiedererkennungseffekt. Der junge Mann, der mit verhaltener Freude der Hymne lauschte, hätte auch ein völlig anderer sein können: und das lag nicht allein daran, dass er in Sydney nicht mehr blondiert sein.

Engstfelds Absicht war klar: Er wollte die unterschiedlichen Wege zeigen, die nach Sydney führen. Hier "erste" Welt, dort "dritte", hier Training mit allen Schikanen, mit psychologisch und physiologisch optimaler Betreuung, dort schlichtes laufen n Nordafrikanischer Steppe. Immerhin ersparte Engstfelds Kommentar (schön vorgetragen von Peter Lieck als "Erzähler") den moralischen Zeigefinger. Leider sparte er aber auch mit sportlichem Fachwissen. Und obwohl sowohl beim Radfahrer Bartko wie auch beim Boxer Savon die Olympiateilnahme völlig offen war, gelang es Engstfeld nicht, eine Spannung herzustellen. Erst das Qualifikationsfinale zwischen dem gealteten Felix Savon und seinem jugentlichen Herausforderer war ein bißchen packender. Engstfeld nutzte Zeitlupe und Montage, um eine gewisse Klimax zu erreichen: hier die Boxer, da das frenetische Publikum; hier Savon, der plötzlich sehr, sehr alt aussieht, da die entsetzten Zuschauer.

Zumindest bei den amerikanischen Sportlern irritierte auch Engfstfelds verbale Sparsamkeit. Wo der Kommentar ansonsten immer wieder fröhlich plaudert, lässt er mindestens die Hälfte der aussagen von Boldon unter den Tisch fallen. Incl. der Hiphop, mit dem er das Training der amerikanischen Sprinter unterlegt, strotzt nur so von Texten, vor denen auf den entsprechenden CDs gewarnt wird ("explicit lyrics"):auch hier weder ein Hinweis noch ein Zusammenhang. Keines Kommentars bedurfte allerdings die treuherzige Aussage des Managers: Seine Sportler wollten Ruhm, nicht etwa Geld. Kein Wunder: Geld haben sie ja ganz offensichtlich mehr als Genug.
Tilmann Gangloff

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